Ich erbe, also arbeite ich

Diese Woche hat die ZEIT sich mit dem Thema Erben beschäftigt. Mit der Frage, wie gerecht erben ist. Natürlich ist erben nicht gerecht, so wie es in meinen Augen nie eine stabile Gerechtigkeit geben kann. Höchstens das Streben nach Ausgleich und das Streben nach der Vermeidung von zu großen Extremen. Aber darauf will ich hier gar nicht eingehen – sondern auf eine Sorge, die in einem Artikel geäußert wurde: Macht erben faul? So leitet der Ökonomieprofessor Fabian Kindermann in einer Studie ab: Wenn Menschen erben, arbeiten sie weniger. Da er für die Studie keine Daten von Erben hatten, hat er diese These an Lottogewinnern erforscht. Allein den Ansatz finde ich total absurd.

 

Es wird allerdings auch eine zweite Studie der Ökonomin Karina Doorley erwähnt, die zum Ergebnis kommt, dass Männer nach einer Erbschaft gleich viel arbeiten und Frauen ihre Stundenzahl im Schnitt um 1,5 Stunden in der Woche reduzieren.

Warum ich dazu jetzt meinen Senf abgebe? Ich bin eine Frau, ich habe geerbt, ich muss nicht mehr arbeiten. So frank und frei formuliere ich das sonst nur unter Erbinnen. Ich bin sehr froh, dass Gisela mir hier den Raum gibt, zu schreiben, ohne meinen Namen zu nennen. Denn natürlich hat der Diskurs über Erben auch Auswirkungen auf die Erben. Und der damit einhergehende Neid, die Diskussion man habe etwas bekommen, was man nicht verdient hat, führt dazu, weniger zu sagen. Weniger öffentlich zu dem Thema zu werden.

Darauf will ich nicht allgemeingültig eingehen, sondern eher auf die Frage, ob ich noch arbeite, obwohl ich gar nicht mehr muss. Natürlich. Ich habe von meinen Eltern nichts anderes gelernt. Und darüber bin ich nicht glücklich. Meine Eltern haben in den sechziger Jahren ihre Familie gegründet, aus dem Nichts. Wie so viele. In meiner Kindheit und Jugend war Sparsamkeit ein wichtiges Prinzip, meine Eltern haben dies bis zum ihrem Lebensende beibehalten. Obwohl sie durch viel Arbeit und sicherlich auch kluge Investments es am Ende ihres Lebens auf ein anständiges Vermögen gebracht haben. Was an mich vererbt wurde. Durch viel Arbeit und Sparsamkeit. Ich habe meinen Vater selten gesehen und auch meine Mutter hatte bereits seit 1970 eine feste Stelle – was damals sehr ungewöhnlich war. Großgeworden sind wir in der Woche mit Nudelauflauf (mit einigen wenigen Schinkenstückchen drin), Ravioli aus der Dose und Hefeknödeln. Alles günstige Gerichte, am liebsten solche, die sich gut vorbereiten ließen, weil meine Mutter ja auch gearbeitet hat. Kleidung habe ich meistens von meiner großen Cousine bekommen. Das war günstig und ob es gut aussah, war nebensächlich. Das war alles nicht wirklich schlimm, ich würde meine Kindheit als ziemlich normal bezeichnen. Dennoch habe ich andere Kinder erlebt, die anders großgeworden sind. Bei denen die Eltern einen anderen Umgang mit Geld geübt haben und bei denen für die Kinder in der Kindheit mehr drin war.

Aber kommen wir von der Sparsamkeit zurück zum Credo der Arbeit. Hier habe ich gelernt: Ich arbeite, also bin ich. Während ich mit der oben beschriebenen Sparsamkeit wenig Probleme habe, bin ich mit dem Credo nicht unbedingt einverstanden, auch wenn er mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ich kann erstmal für mich sagen, der Staat, die Gesellschaft oder wer auch immer sich sorgt, es besteht kein Anlass zur Sorge: Nur weil ich geerbt habe, werde ich nicht aufhören zu arbeiten! Das würde keinen Sinn machen. Ich spüre selbst, dass mein eigener Wert sich nicht durch das Erbe definiert, sondern durch meine Arbeit. Im Gegenteil, das Erbe hat im ersten Jahr erstmal eine Entwertung meiner Arbeit dargestellt – weil das Erbe größer war als mein Einkommen. Also meine Arbeit weniger Sinn macht, weniger Wert hat. Das musste ich erstmal für mich klären.  Die einzige Veränderung, die sich eingestellt hat, ist dass ich keine sinnlose Arbeit mache. Also wenn mir was total gegen den Strich geht, dann erlaube ich mir, etwas zu verändern. Das ist ein großer Luxus. Der sich auch erst über die Jahre eingestellt hat. Aber grundsätzlich aufzuhören zu arbeiten, darüber habe ich nicht mal nachgedacht. Ich sehe das auch als großen Unterschied zu Menschen, die sich selbst ihre finanzielle Freiheit „erwirtschaftet“ haben. Da wird ja ganz viel über die Beendigung der Erwerbsarbeit nachgedacht. Das käme für mich nicht in Frage. Nun stellt sich ja vielleicht die berechtige Frage nach dem Warum. Wenn ich in diese Frage reinfühle, ist die Antwort schnell klar und deutlich da: Es wäre ein Verrat an meine Eltern. Und damit wird das Erbe doppeldeutig: Meine Eltern haben mir zwar Vermögen vererbt, aber eben auch eine klare Botschaft: Arbeite!

Ich weiß nicht, ob ich mich von letzterem lösen will. Was ich aber weiß ist, dass sich in mir großer Widerstand regt, wenn irgendwer von außen darüber nachdenkt, das Vermögen zu reduzieren, damit ich es muss. Also das arbeiten. Das will ich selber entscheiden dürfen. Auch wenn ich vielleicht, als Kind dieser Gesellschaft, zum selben Ergebnis komme.