Haben Sie manchmal Existenzangst?

Nicht das sie mich nicht selbst manchmal antrifft, die Existenzangst. Ich glaube, alle Selbständigen sind davon irgendwann mal betroffen. Angestellte sicherlich auch, wenn Gerüchte von Kündigungen aufkommen oder andere Gründe dazu führen, dass man am Fortbestand der Stelle zweifelt. Mein Fokus liegt hier allerdings mehr auf den Selbständigen. Denen, die ich oft in Coachings antreffe und denen die Existenzangst oft viel Energie raubt. Ich möchte dazu gerne Sabine zu Wort kommen lassen. Sie war wegen diesem Thema zum Coaching bei mir und hat ihre Erfahrungen danach bei Klunkerchen geteilt. Nun teile ich diesen schönen Erfahrungsbericht auch nochmal hier: 

 

Mir ging es schon seit einigen Tagen richtig, richtig schlecht. Ich hatte das Gefühl, ich werde es nicht schaffen. Ich werde nicht schaffen, irgendwann auf finanziell gute Beine zu kommen, beruflich erfolgreich zu sein und ein Leben zu leben, wie ich mir das eigentlich vorstelle. Wir haben dieses Thema einem Coaching auseinandergenommen und gerne beschreibe ich den Ablauf hier. Einfach, weil die Fragen, die mir Gisela gestellt hat, vielleicht auch für Andere spannend sein können.

 

 

Sie hat zunächst mit mir geklärt, wie hoch ich die Bedeutung von Geld aktuell für mich einschätze. Auf einer Skala von 1 bis 10. 1 heißt: Ich denke eigentlich nie an Geld. 10 bedeutet: Der Gedanke an Geld bestimmt gerade mein Leben. Nach kurzem Nachdenken habe ich dem ganzen eine 7,5 gegeben. Dann kam die komische Frage, was ich denn machen müsste, um in Zukunft bei einer 8,5 zu liegen? Noch schlimmer? Ja, genau, ob das wohl geht. Klar geht das. Ich müsste mir noch mehr Sorgen machen. Noch ein bisschen mehr verschiedene Horrorszenarien ausmalen. Und mir mehr bewusst machen, was für eine Niete ich bin.

Ich dachte nun, dass wir jetzt endlich anfangen würden, meine Existenzangst endlich zu verringern. Aber weit gefehlt. Gisela erklärte mir, dass alle Emotionen, die man einfach so wegschickt, relativ schnell wieder da sind. Und da hat sie ja auch Recht, ich kann das nur bestätigen. Also noch genauer hinschauen. Wie lästig. Aber irgendwie auch interessant.

 

Wir haben uns zunächst die Bilder zu meinem Worst-Case Szenario angeschaut. Meine Horrorvorstellung ist, dass ich meine Miete nicht bezahlen kann und aus meiner Wohnung geräumt werde. Dann teilen sich meine Bilder im Kopf schon ein bisschen. Ein realistischer Anteil sagt dann, dass ich schon bei meinen Eltern wieder unterkommen würde. Der etwas panische Anteil sieht mich gleich unter der Brücke.

 

Wir haben hier eine Weile drüber geredet. Wie realistisch ist es, dass so ein Horrorszenario eintritt? Eigentlich gar nicht. Wenn alle meine Rücklagen aufgebraucht sind und ich keine Aufträge mehr reinbekomme, würde ich erstmal Unterstützung vom Amt bekommen. Gut, die würden bei meiner zwei Zimmer Wohnung meckern. Aber sie wüssten auch, dass eine jetzt angemietete Einzimmerwohnung wahrscheinlich genausoviel Miete kostet, wie meine mit altem Mietvertrag. Geräumt zu werden, wäre also sehr unwahrscheinlich. Kein Geld für Essen zu haben, schon eher. Aber hier würde im wirklichen Notfall auch Hartz 4 helfen. Mir wurde schon klar, dass ich diese Unterstützung nicht will. Aber je länger wir die Sache beleuchteten, wurde mir auch klar, dass ich bisher nie in die Situation gekommen bin. Es hat immer wieder geklappt. Ich war schon wieder ein bisschen besser gestimmt.

 

Aber was wäre so eine Coach, wenn sie nicht nachbohren würde? Ich sollte meiner Existenzangst einen Namen geben? Wozu denn bitte dieser Angst einen Namen geben? Weil wir dann damit besser arbeiten können. Weil diese Angst nur ein Anteil von mir ist. Die manchmal meine Emotionen steuert. Das bin dann aber nicht ich, Sabine, sondern meine Angst. Abgedreht, aber irgendwie war was dran an der These. Also habe ich einen Namen gesucht. Spontan kam ich auf Tante Erna. Tante Erna, die im Krieg soviel Leid erlebt hat, dass sie immer gleich panisch reagiert, wenn es eng werden könnte. Nachdem mir das erstmal so spontan eingefallen war, machte diese Assoziation auch gleich Sinn.

 

Gisela lud mich ein, Tante Erna und ihr Ansinnen genauer zu erkunden. Die erste Frage erschien mir erstmal ganz schön absurd. Wovor schützt Tante Erna mich? Schützen? Die macht nur Ärger. Ich musste echt ein bisschen nachdenken, bis ich auf den Gedanken von "schützen" kam. Widerwillig habe ich dann aber doch zugeben müssen, dass Tante Erna mich aktiv hält. Ohne sie würde ich morgens länger schlafen und am Tag weniger schaffen. Sie ist auch mein Antrieb bei der Akquise. Wenn ich unangenehme Akquisetelefonate führen muss, dann achtet Tante Erna darauf, dass ich sie mache. Allerdings ist sie dabei manchmal übereifrig. Ich ruf dann Menschen an, hole mir ein Nein ab und denke mir danach, dass hätte ich mir auch vorher ausrechnen können. In der Summe fühle ich mich bei so einem Übereifer schlechter.

 

Ich konnte also bei Tante Erna ein grundsätzliches Wohlwollen erkennen, sie schützte mich davor finanziell ganz abzustürzen. Nur im Eifer war sie mir manchmal zu aktiv. Ich durfte mich nun auf einen anderen Stuhl setzen und mich in Tante Erna reinfühlen. Ich hatte klare Verhandlungsziele vorher genannt, sie solle sich weniger einmischen und wenn ja, nicht so intensiv. Als Gisela in der Rolle von mir diese Punkte präsentierte und ich auf dem Stuhl für Tante Erna antworten sollte, war mir das zuviel. Es fühlte sich zu ablehnend an. Immerhin bin ich doch nur so eine Art Antreiberin. Ohne mich wird das nie was mit Sabine. Es war echt witzig, wie wir angefangen haben, zu verhandeln. Am Ende hatten wir dann einen Deal zwischen Sabine und Tante Erna, mit dem beide mitgehen konnten. Der sah so aus: Tante Erna darf sich weiterhin als Beschützerin melden, aber nicht gleich mit totalen Schreckensszenarien, sondern mit der Message, dass es Zeit ist, wieder was zu tun. Sabine im Gegenzug konnte zusagen, dass sie auf die kleinen Botschaften bereits hört und den absoluten Existenzangsthammer gar nicht braucht.

 

Gisela machte uns beide dann darauf aufmerksam, dass es bestimmt zu Ehrenrunden kommen würde. Also zu kleinen Rückfällen, in denen wir beide in alte Muster fallen. Nicht so schlimm, wenn wir daraus lernen und uns dran erinnern, dass es eine andere Verabredung gab.

Ich fand diese Verhandlung ziemlich abgedreht, muss aber trotzdem zugeben, dass sie mir gutgetan hat. Und darum geht es ja im Coaching, oder? Natürlich bin ich gespannt, wie ich in Zukunft reagieren werde, wenn mich mal wieder meine Existenzangst überkommt. Zu glauben, dass dies gar nicht mehr passiert, das kann ich noch nicht richtig. Aber ich lasse mich gerne überraschen.

Zum Abschluss durfte ich nochmal meinen Bauch nach einem Skalenwert fragen. Wo stehe ich jetzt auf der Skala zwischen 1 und 10. Mir kam spontan eine 4.

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Kommentare: 1
  • #1

    Elisabeth Fröber (früher Freyer) (Sonntag, 02 Oktober 2016 11:34)

    Diese Methode finde ich gut. Ich las darüber in einem Buch von einer Psychotherapeutin. Dass man sie auch für solche alltäglichen Themen anwenden kann, dachte ich mir zwar, habe es aber bisher noch nie gehört. Und offensichtlich funktioniert es...
    Einmal habe ich etwas ähnliches mit einer Schülerin wegen Vorspielangst gemacht (ich bin Instrumentallehrerin). Es hat gewirkt.....
    Viele Grüße
    Elisabeth Fröber